ab in den norden! - 23. Mai 2015

Über die Osterfeiertage war ich spontan mit meiner österreichischen Arbeitskollegin Martina und ihrem Besuch unterwegs. Martina arbeitete zu diesem Zeitpunkt seit fast zwei Jahren als Physiotherapeutin in Ostafrika, davon die meiste Zeit im Lubaga Hospital, nachdem sie für einige Monate in einem ländlichen Projekt in Kenia tätig war. Ich habe meine Mittagspause öfters bei ihr im Büro verbracht und war natürlich sofort dabei, als sie mich fragte, ob ich Lust hätte in den Kidepo Valley National Park zu fahren. Der Park liegt ganz im Norden Ugandans und grenzt an den Sudan, weshalb ich wohl keine andere Gelegenheit bekommen hätte dort zu einem anderen Zeitpunkt nochmal hinzukommen, ohne eine meist sehr teure Tour bei einem Unternehmen zu buchen. Die Nationalparks in Uganda sind nämlich fast alle sehr schlecht oder gar unmöglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Wir entschieden uns dazu, ein Auto mit einem Fahrer zu mieten, um unsere Reise selber planen zu können, was sich bei vier Leuten, von den zwei noch in Österreich waren, aber als gar nicht so einfach herausstellte. Als wir am Karfreitag losfuhren, stand die grobe Planung jedoch und die Reise in den Norden des Landes konnte beginnen.

 

Wir übernachteten am ersten Abend in Gulu, um die insgesamt über 12-stündige Fahrt auf zwei Tage zu verteilen. Auf dem Weg dorthin fuhren wir auch an den Karuma Falls vorbei, die sich in der Nähe des Murchison Falls National Park befinden. Die Strecke beträgt etwa 600 km, aber dadurch, dass die Straßen ab Gulu immer schlechter werden und man nur sehr langsam fahren kann, braucht man ziemlich lange. Unserem Fahrer vertraute ich jedoch mehr als den Busfahrern, die mit halsbrecherischem Fahrstil durch Tansania bretterten, und konnte die Landschaft genießen. Die Menschen in ihren kleinen Dörfern zogen an mir vorbei, während ich die Lehmhütten, Kirchen und Schulen aus dem Fenster sehen konnte. Je weiter wir uns von Kampala entfernten, desto grüner wurde es und entsprechend besserte sich auch die Luft. Kampala ist so eine verrückte Stadt, dass man sie lieben muss. Aber manchmal macht sie mich auch wahnisinnig und deshalb es ist immer wieder schön diesen stinkenden, dreckigen und lauten Ort für einige Zeit verlassen zu können.

 


 

Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse blieb uns nur zu hoffen, dass es nicht regnen und wir im Schlamm stecken bleiben würden. Doch es ging alles gut und wir kamen am Abend im unerwartet kühlen Nationalpark an. Im Norden Ugandas sind die Temperaturen insgesamt deutlich höher als im Süden und es gibt dort im Vergleich zu den anderen Teilen des Landes nur eine großere Regenzeit, die in den Zeitpunkt unseres Besuchs fiel. Eigentlich hatte ich mich auf die Sonne gefreut, weil ich trotz der hohen Temperaturen in Kampala im Feburuar und März, nie genug davon bekommen kann. Aber das kühle Wetter war, abgesehen vom Regen, zur Abwechslung auch mal wieder recht angenehm. Außerdem konnte ich das Lagerfeuer am Abend dadurch noch mehr genießen. Als ich im Ngorongoro Crater in meinem Zelt lag und fror, fiel mir nämlich auf, dass ich wirklich vergessen hatte, was Kälte ist. So ähnlich ging es mir auch beim Zelten im Kidepo. Ich weiß noch genau wie ich die Ugander am Anfang dafür belächelt habe, das Wetter hier hin und wieder als kalt zu bezeichen. Bei euch sind es nie weniger als 16 Grad – ihr wisst gar nicht was kalt ist, dachte ich mir. Und auch wenn ich immer noch nicht verstehen kann, warum viele Menschen hier tagsüber dicke Mützen oder Fellmäntel tragen, muss ich zugeben, dass ich es inzwischen auch ziemlich kalt finde, wenn es weniger als 23 Grad sind ...

 


 

Auch wenn wir mit dem Wetter nicht ganz viel Glück hatten, was aufgrund der Jahreszeit aber absehbar war, hat der Kidepo mir unglaublich gut gefallen. Dadurch, dass der Park so weit außerhalb liegt, gibt es nur sehr wenige Besucher und man hat nicht wie in vielen anderen Parks so oft das Gefühl mehr Touristen und Jeeps, als Tiere zu sehen. Am zweiten und dritten Tag war außer uns und einem anderen Herrn niemand anderes dort. An unserem letzten Abend im Camp kam ich mit ihm ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass es sich um den deutschen Botschafter handelte mit dem wir daraufhin eher zufällig zu Abend aßen.


Die Savanne mit der wunderschönen Berglandschaft im Hintergrund, die auf eine besondere Weise Ruhe ausstrahlte und in der eine fast unheimliche Stille herrschte, hat diesen Ort für mich einzigartig gemacht. Die lange Reise hatte sich in jedem Fall gelohnt!

 


 

Die anderen reisten weiter, um noch andere Nationalparks zu besuchen, nachdem ich mich in Gulu von ihnen verabschiedet hatte. Ein guter Freund von Martina, war so nett mir sein Zelt zu schenken, das er nicht wieder mit zurück nach Österreich nehmen wollte. Ich freute mich natürlich riesig darüber, weil es spätestens im August, wenn ich Besuch bekomme, auf jeden Fall wieder zum Einsatz kommen wird. Ich versuchte mich, glücklich über meinen neuen Besitz, nicht über die unpräzisen Zeitangaben der Ugander aufzuregen. Doch das war gar nicht so einfach. Zwar hatte ich in Gulu sofort einen Reisebus gefunden, der nach Kampala fuhr, nur ob dies noch am gleichen Tag passieren würde, daran zweifelte ich von Stunde zu Stunde immer mehr. Dass wir nicht, wie angekündigt um 13:30 Uhr losfahren würden, war nicht überraschend. Trotzdem wollte ich den Bus nicht verpassen und saß nach einem kurzen Restaurantbesuch pünktlich auf meinem Platz. Ugandische Musik lief auf voller Lautstärke, während ich vesuchte mich auf mein Buch zu konzentrieren. Als der Bus sich nach über einer Stunde mit einigen wenigen Fahrgästen gefüllt hatte, fuhren wir endlich los. Allerdings nicht nach Kampala, sondern nur einige Straßen weiter, um dort wieder stehen zu bleiben.

Irgendwann fragte ich vorsichtig, wann wir denn losfahren würden. "Soon", war die Antwort des Mannes, der mir meine Fahrtkarte verkauft hatte. Wie ich dieses Wort hasse. Schon als Kind fand ich es schrecklich, wenn mein Vater auf der Fahrt nach England die Frage, wann wir endlich da sein würden, mit "soon" beantwortete. Es ist eins dieser Worte, das man sich eigentlich auch sparen kann, weil es nichts aussagt. Mein Verständnis von bald unterschied sich genauso wie das meines Vaters auch vom Fahrkartenverkäufer des Busunternehmens. Als jeder Passant auf der Straße gefragt wurde, ob er nach Kampala fahren möchte, dachte ich mir nur: Ihr wollt doch jetzt nicht allen Ernstes so weiter machen bis der Bus voll ist? Doch. Genau das wollten sie. Ich wäre nicht verwundert gewesen, wenn wir noch bis zum Abend darauf gewartet hätten. Aber erstaunlicherweise waren gegen halb fünf tatsächlich alle Plätze besetzt und diesmal fuhren wir wirklich los, sodass ich doch noch am selben Abend mit vielen schönen Erinnerungen in Kampala ankam.